Beitrag von: Christoph Gürich – 2023
Kleine Geschichten rund um das Holzfass auf dem Münchner Oktoberfest
Auf dem Münchner Oktoberfest ist das Holzfass bis heute weit verbreitet. Während des Einzugs der Wiesnwirte ist es auf den Pferdefuhrwerken der Brauereien zu sehen und zudem das zentrale Objekt bei der Eröffnungszeremonie der Wiesn. Dieses Anzapfen im Schottenhamel-Festzelt wird seit 1950 durch den Oberbürgermeister durchgeführt, der pünktlich um 12 Uhr den Zapfhahn (Wechsel) in das 200-Liter-Fass, den sog. Hirschen, schlägt und mit dem Ausruf „O’zapft is!“ das Fest eröffnet.
Alt-Oberbürgermeister Christian Ude schaffte es mehrfach wie ein wahrer Profi, nach lediglich zwei Schlägen die erste Maß zu befüllen und an den bayerischen Ministerpräsidenten zu überreichen. Einer seiner Vorgänger und der Begründer dieser Zeremonie, Thomas Wimmer (Amtszeit 1948 – 1960), benötigte für das Anzapfen einmal siebzehn Schläge.

Christian Ude beim offiziellen Anzapfen auf dem Oktoberfest, 2003 (© Münchner Stadtmuseum, Heinz Gebhardt)
Doch auch wenn das Bier während des Festakts heute noch aus dem Holzfass in den Maßkrug fließt und die Münchner Brauereien an ihren Schenken durch das Aufstellen von Fass-Attrappen weiterhin das Image des Holzfasses pflegen, so wird seit Ende der 1980er Jahre der Großteil des Bieres auf dem Oktoberfest aus Containern ausgeschenkt, die sich hinter oder unter den Zelten befinden. Als im Jahr 1975 in München das Gerücht umging, dass auf dem Oktoberfest das Bier in Zukunft nicht mehr aus Holzfässern ausgeschenkt werden solle, dementierten die Wiesnwirte diese Aussage als „böse Vision“.
Einige Jahre später ergriffen der Oberbürgermeister Erich Kiesl und der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß in einem offenen Brief an die Münchner Brauereien sogar deutlich Partei für das Holzfass und somit konnte der Einsatz von Bier-Containern noch einige Zeit abgewendet werden. Doch nach Erklärung der Brauereien, dass die Beschaffung der nötigen Mengen an Holzfässern nicht mehr zu leisten sei, wurde im Jahr 1984 in einigen Festhallen erstmals Container-Bier ausgeschenkt.
Heute ist der Ausschank aus Bier-Containern vom Münchner Oktoberfest nicht mehr wegzudenken, denn dieser bietet viele Vorteile: Der Ausschank aus den Auslaufhähnen der Biercontainer lässt ein schnelleres und ruhigeres Einschenken zu und in den Schänken sowie für den Biertransport zwischen den Brauereien und der Festwiese ist ein deutlich geringerer Personalaufwand von Nöten.
Die Augustinerbrauerei scheut diesen erheblichen Mehraufwand aber nicht und schenkt bis heute als einzige Münchner Brauerei auf dem Oktoberfest ihr Bier ausschließlich aus dem Holzfass aus. Die Arbeitszeit zum Fertigen eines einzigen „Hirschen“ beträgt acht bis zehn Stunden und auch die Pflege für den Erhalt dieser Fässer ist sehr aufwendig. In München existiert nur noch eine Fassfabrik, die seit dem vorletzten Jahr an einem zweiten Standort in Freiham ausschließlich Bierfässer für die Augustiner Brauerei repariert und produziert. Gleich neben der Fassfabrik betreibt die Brauerei eine eigene Picherei, in welcher die Fässer mehrmals im Jahr von innen mit einem speziellen Baumharz nach eigenem Rezept ausgekleidet und anschließend gewässert werden. Zudem müssen die Fässer nach jeder Leerung in der Brauerei gewaschen werden, um sie für ihr rund 30-jähriges Leben frisch zu halten.
Während des kompletten Zeitraums des Oktoberfests sind ungefähr 1100 Holzfässer in Gebrauch. Nach Schließung der Festzelte und bis in die frühen Morgenstunden werden die leeren Fässer jeden Tag zurück in die Brauerei gebracht und die neu gefüllten „Hirschen“ von dort aus wieder auf die Festwiese befördert. Diese werden in allen Gastronomiebetrieben, die Augustinerbier ausschenken, in Fass-Kühlzellen aufbewahrt, bis sie auf die Ausschankfläche, den sog. Ganter, gerollt werden. Ein „Hirsch“ wiegt befüllt rund 300 Kilogramm und wird bei Vollbetrieb im Zelt innerhalb von ca. 20 Minuten geleert. Durch den enormen Durchsatz an Bier ist es auf dem Oktoberfest – im Gegensatz zu den Münchner Biergärten – möglich, das Fass mit einem noch geringeren Druck zu befüllen, was den Ausschank vor Ort etwas erleichtert.