OW Programm 2022 – Beitrag von: Christoph Gürich (Augustiner Archiv) – 2022

Die Tradition der Festzelte.
Eine kleine Geschichte des Oktoberfests und  der Augustinerbrauerei auf der Festwiese.

Seit dem ersten Fest im Jahr 1810, welches anlässlich der Hochzeit des bayerischen Kronprinzen Ludwig Carl August und der Kronprinzessin Therese von Sachsen Hildburghausen auf der Theresienwiese veranstaltet wurde, hat das Münchner Oktoberfest mehrfach sein Erscheinungsbild sowie seine Bedeutung verändert. Erst mit der Zeit hat es sich vom bayerischen Nationalfest zum erfolgreichsten und größten Volksfest weltweit entwickelt. Für lange Zeit standen das Pferderennen sowie das zentrale Landwirtschaftsfest im Mittelpunkt eines Festes, das dem Königreich Bayern der Nationalbildung diente. Die gastronomische Versorgung und der Bierkonsum spielten lange Zeit eine untergeordnete Rolle. Und auch die Tradition der Festzelte hat erst mit der Wende zum 20. Jahrhundert ihren Anfang genommen.

Das Pferderennen auf der Theresienwiese am 17. Oktober 1810, 1911, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik / Gemälde

Das Pferderennen auf der Theresienwiese am 17. Oktober 1810, 1911, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik / Gemälde

In den Anfangsjahren des Fests wurde das Bier auf dem Oktoberfest lediglich im Freien und später in einfach gezimmerten Bretterbuden ausgeschenkt. Die Gäste saßen davor, nahmen dort ihre Brotzeit ein und tranken Bier. In den 1820er Jahren wurden die Buden vergrößert und boten den Festbesuchern auch zusätzliche Plätze im Inneren. Neben Bier wurden auf dem Festgelände auch Wein, Kaffee und Likör als Getränke angeboten. Früchtehändler, Köche, Bäcker und Konditoren verkauften ihre Speisen an festen Orten, fliegende Händler vertrieben Käse, Nüsse und Rettich. Der Verkauf von Wurst und Fisch findet in den frühen Jahren des Oktoberfests keine Erwähnung.

Da die Bewirtung für die Gäste auf dem Festgelände zunehmend an Bedeutung gewann und das Angebot auszuufern drohte, erließ der Magistrat der Stadt im Jahr 1824 eine Verordnung, nach welcher nur noch 18 Bierwirte aus München auf der Theresienwiese zugelassen waren. Diese wurden jährlich neu ausgelost. Die Zelte auf dem Oktoberfest waren aber nach wie vor dem Königshaus, der Nationalgarde sowie dem landwirtschaftlichen Verein vorbehalten. Der Rest des Geländes glich einer hölzernen Stadt, in der Waren und Attraktionen angeboten wurden.

Das Pferderennen, aus dem sich nach 1810 das Oktoberfest entwickelte, blieb bis 1913 die wichtigste Festveranstaltung. Ebenso war das Zentral-Landwirtschaftsfest ein integraler Bestandteil des bayerischen Nationalfests. Es sollte der ökonomischen Situation des Königreiches als Agrarstaat Rechnung tragen und durch regen Handel zum Aufschwung der bayerischen Wirtschaft beitragen. Trotz zunehmender Popularisierung spielten die Schaustellerei sowie die gastronomische Versorgung bis in die 1890er Jahre eine untergeordnete Rolle auf dem Fest. Die Attraktionen und derben Spiele, in Verbindung mit dem hohen

Bierkonsum, waren den städtischen Festveranstaltern lange Zeit gar ein Dorn im Auge, da sie für das königliche Fest als unwürdig empfunden wurden. Ein Umstand, der sich mit der Entwicklung des industriellen Brauens sowie der Etablierung der Münchner Großbrauereien ändern sollte.

Postkarte, Blick auf die Festhallen im Ring, 1910, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Reklamekunst

Postkarte, Blick auf die Festhallen im Ring, 1910, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Reklamekunst

Bis 1906 war der Festplatz geprägt durch die zentral platzierte Musik-Tribüne und den 18 kreisförmig darum angeordneten Bierbuden, dem sogenannten Wirtsbudenring. Ab 1907 wurde die kleinteilige Anordnung der Wirstbuden stückweise aufgelöst und es etablierten sich die Festhallen der Münchner Großbrauereien. Diese Entwicklung nahm mit der Errichtung der Festburg „Zum Winzerer Fähndl“ im Jahr 1895 ihren Anfang. Die Festhallen hatten eine Grundfläche von 1000 Quadratmetern und boten Platz für 1000 bis 1200 Besucher. Sie sind zu Wahrzeichen des Oktoberfests avanciert und haben den Ruf des Bierfests manifestiert.

Postkarte der Augustiner Riesenburg von Festwirt Georg Lang, Zeltbau mit vorgeblendeter Burgfassade von Architekt Hans Lehmann, um 1905, Augustiner-Bräu Wagner KG

Postkarte der Augustiner Riesenburg von Festwirt Georg Lang, Zeltbau mit vorgeblendeter Burgfassade von Architekt Hans Lehmann, um 1905, Augustiner-Bräu Wagner KG

Die Augustinerbrauerei auf dem Oktoberfest Der erste Nachweis dafür, dass Augustiner-Bräu auf dem Oktoberfest mit einer Bierbude vertreten war, ist auf einer Abbildung in der „Illustrierten Zeitung“ des Jahres 1867 zu finden. In den 1890er Jahren lässt sich dann ein dichteres Bild von der Präsenz der Brauerei auf der Theresienwiese zeichnen: In Plänen, auf Postkarten und Fotografien tauchen verschiedene Bierbuden der Brauerei mit wechselnden Wirten, Nummerierungen und an verschiedenen Orten auf dem Oktoberfest auf. Nach dem Aufbau der ersten großen Bierhalle im Jahr 1895 erscheint im Jahr 1905 dann auch Augustiner mit ihrer sogenannten „Wiesenburg“ (auch „Riesenburg“, „Augustinerburg“, „Festburg“ oder „Märzenburg“ genannt) auf dem Oktoberfest. 1909 wird eine zweite Festhalle errichtet.

Im Verlauf der 1920er Jahre wird das architektonisch noch recht bescheidene Zelt von einer prunkvolleren Festhalle mit der geschwungenen Fassade abgelöst. Die Gestaltung der Festhalle aus dieser Zeit prägt bis heute das Erscheinungsbild des Augustiner-Festzeltes auf dem Oktoberfest.  Im Jahr 1926 wird zudem ein Turm errichtet, welcher der Brauerei als neues Wahrzeichen auf dem Oktoberfest dient. Nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde er zum 200.

Wiesn-Jubiläum im Jahr 2010 nach historischem Vorbild erstmals wiederaufgebaut und besteht bis heute fort.

Postkarte der Augustiner-Festhalle, um 1930, Augustiner Bräu Wagner KG

Postkarte der Augustiner-Festhalle, um 1930, Augustiner Bräu Wagner KG

Quellen:

  • Bauer, Richard / Fenzl, Fritz: 175 Jahre Oktoberfest, 1810-1985, herausgegeben von der Landeshauptstadt München, München 1985.
  • Dering, Florian / Eymold, Ursula (Hrsg.): Das Oktoberfest 1810-2010, München 2010
  • Dering, Florian (Hrsg.): Das Oktoberfest. Einhundertfünfundsiebzig Jahre bayerischer National-Rausch, Katalog zur Ausstellung im Münchner Stadtmuseum vom 25. Juli bis 3. November 1985, München 1985.

Weiterführende Hinweise: