OW Programm 2025 – Beitrag von: Christoph Gürich (Augustiner Archiv) – 2025
100 Jahre Ferdinand Schmid
„Das gute Gewissen der Bierstadt München“
Ferdinand Schmid (1925-2013) zählt zweifellos zu den prägendsten Figuren der Bierstadt München und der Augustiner-Brauerei im 20. Jahrhundert. In diesem Jahr wäre er 100 Jahre alt geworden, ein guter Zeitpunkt, um seinen Leistungen zu gedenken und auf dem Oktoberfest gemeinsam auf ihn anzustoßen. Von 1957 bis 1967 leitete der studierte Jurist den „Verein Münchener Brauereien“ und hat in dieser Funktion das Münchner Brauwesen bereits in den Aufbruchsjahren erfolgreich und entscheidend geformt.
Er brachte dort früh seine Überzeugung ein, dass die Münchner Brauereibetriebe auch eine kulturelle Verpflichtung für die Stadt und ihre Menschen tragen. So wurde unter seiner Führung im Jahr 1962 beispielsweise der Münchner Brauertag als Ehrentag des Handwerks der Brauer und Mälzer wiederbelebt mitsamt Freibier, Schäfflertanz, einem Festzug durch die Münchner Innenstadt und dem öffentlichen „Freischlagen“ der Jungbrauer durch den Münchner Oberbürgermeister.
Im gleichen Jahr organisierten die Brauereien unter Schmids Leitung den ersten Münchner Maibaum auf dem Viktualienmarkt, ein Geschenk an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, das bis heute die enge Verbindung zwischen Brauerei und Stadtgesellschaft symbolisiert.
Von 1970 bis 1991 war Schmid als persönlich haftender Gesellschafter der Augustiner-Bräu Wagner KG tätig und hat mit seiner ehrlichen, geradlinigen und leidenschaftlichen Unternehmensführung die erfolgreiche Entwicklung der Brauerei über Jahrzehnte und noch über seinen Tod hinaus entscheidend geprägt. Ferdinand Schmid hielt am bewährten Qualitätsversprechen von Augustiner fest, trieb während seiner Wirkungszeit aber die sanfte Modernisierung der Brauerei voran, um den technischen Anforderungen und der gesteigerten Nachfrage gerecht werden zu können. Er verwehrte sich dabei aber kurzfristigen marktwirtschaftlichen Trends und bewahrte dem Unternehmen somit seine Unabhängigkeit.
Als Anfang der 1990er Jahre zahlreiche Brauereien aus Marketing- und Imagegründen damit begannen, ihr Bier in die schmalere und modernere NRW-Flasche abzufüllen, hielt Augustiner aus Gründen der Rentabilität als einzige der Münchner Großbrauereien an der bauchigen Euroflasche fest. Zugleich bewahrte man trotz des enormen Kosten- und Personalaufwands im Sinne der Qualitätserhaltung an die eigene Tennenmälzerei, die schon zu Schmids Lebzeiten die letzte in Europa darstellte. Denn Schmid stand hinter dem Grundsatz der Brauereifamilie Wagner, dass die Qualität des eigenen Produkts die beste Werbung für das Unternehmen sei. Ein Grundsatz, der bis heute gilt.
Auch als Ende der 1980er Jahre die Diskussion um die Einführung von Lagertanks auf dem Oktoberfest entbrannte, blieb Augustiner aus Gründen der Traditionspflege sowie dem Qualitätserhalt beim Holzfass. Seit 1987 und bis heute ist Augustiner die einzige Münchner Brauerei auf dem Oktoberfest, die ihr Bier ausschließlich aus dem Holzfass ausschenkt.
Im Sinne der Tradition bayerischer Wirtshauskultur wurde unter Schmid an den brauereieigenen Immobilien festgehalten. Die Gastwirtschaften wurden saniert, renoviert und ausgebaut, und sind bis heute von seiner Handschrift geprägt. Der Erhalt und die Pflege historischer Häuser, eine stilvolle und qualitative Inneneinrichtung bei bodenständiger Gastronomie und das damit verbundene Bewahren der Münchner Gemütlichkeit waren für Schmid eine absolute Herzensangelegenheit.
„Wichtig ist, dass wir es in München nicht ungemütlich bekommen. Wenn München nicht mehr gemütlich ist, ist München nicht mehr München. Da kann jeder was dazu tun: Der Oberbürgermeister, ich auf meine Weise, aber auch jeder Stille Zecher, jeder Biertrinker, der sich hinsetzt, sein Bier trinkt, seine Zeitung liest und seine Brezen verzehrt, der leistet genauso einen Beitrag zur Gemütlichkeit.“
Ferdinand Schmid
Ferdinand Schmid hat die Augustiner-Bräu Wagner KG zu einer der größten Privatbrauereien Deutschlands ausgebaut und mit der Idee zur Gründung der „Edith-Haberland-Wagner-Stiftung“ gemeinsam mit deren Namensgeberin den wohl wichtigsten Grundstein für ihren Erhalt gelegt. Die Stiftung sichert als Mehrheitseigentümerin der Brauerei bis heute ihre Unabhängigkeit und fördert soziale, kulturelle sowie wissenschaftliche Projekte in München und über die Stadtgrenzen hinaus. Von 1996 bis zu seinem Tod verfolgte Schmid als erster Vorstand der Stiftung deren gemeinnützige Ziele mit besonderem Nachdruck und setzte sich auch dafür ein, dass zahlreiche historische Gebäude in München originalgetreu saniert und für kommende Generationen erhalten werden. Beispielsweise wurde mit der Gründung des Bier- und Oktoberfestmuseums das älteste noch existierende Bürgerhaus Münchens in der Sterneckerstraße geschützt und gleichzeitig ein dauerhafter Ort für die Präsentation Münchner Bier- und Oktoberfestgeschichte geschaffen. Das alte München lag Schmid am Herzen und so wurden auch die aufwändigen Restaurierungsarbeiten an den Deckenfresken im „Alten Peter“, der ältesten Pfarrkirche Münchens, von der Stiftung gefördert. Als symbolischer Dank für seine Unterstützung sowie das langjährige kulturelle und soziale Engagement in München ließ die Stadtpfarrei Sankt Peter Ferdinands Schmids Konterfei im Deckenfresko der Kirche verewigen.
Ferdinand Schmid war ein harter Arbeiter und ein durchsetzungsfähiger Stratege, der sich bis ins hohe Alter mit Leidenschaft für seine beruflichen und privaten Anliegen engagierte: die Kulturgeschichte des Bieres, die Münchner Wirtshauskultur und die bayerische Volkskultur. Der Dokumentarfilmer Georg Antretter bezeichnete ihn in seinem filmischen Porträt deshalb als „das gute Gewissen der Bierstadt München“. Würde er heute noch leben, fände man ihn sicherlich hinter einer Zeitung und einer bayerischen Brezensuppe in einer „seiner“ Münchner Wirtschaften wie dem Gasthaus Isarthor oder dem Augustiner Stammhaus. Oder fast täglich auf dem Oktoberfest, in der Augustiner Festhalle oder in einem anderen Festzelt, im Gespräch viertieft oder hinter einem frisch gezapften Augustiner. Er würde so seinen Beitrag zum Erhalt der Münchner Gemütlichkeit leisten.
Wir laden Sie herzlich dazu ein, es ihm gleich zu tun und anlässlich seines 100. Geburtstags mit einer frischen Maß auf ihn anzustoßen und dabei dem von ihm ausgegebenen Motto der Brauerei und Stiftung zu gedenken.
„Jeder Schluck ist eine Wohltat, jeder zweite eine Wohltätigkeit.“
Ferdinand Schmid
